Am Anfang glaubte ich noch, aber dann kam der Lastwagen…

 

Es ist, als neigten sich die Dinge einem Ende zu. Etwas mehr als eine Schwangerschaft fand Zeit in diesem Essay über Kim de l’Horizon und das «Blutbuch». Für die Zeitschrift delirium war er bestimmt. Aber ob delirium seinerseits bereits ein Ende gefunden hat oder aber einem Neuanfang entgegengeht, entzieht sich meinen Kenntnissen. So veröffentliche ich ihn nun auf meiner eigenen Seite. Ich möchte ihn nicht noch einmal über einen Jahreswechsel schleppen. Ich schneide mir diesen alten Zopf – möge er perfekt geflochten sein oder nicht – jetzt ab. Im besten Fall ist das ehrlich. Im schlechtesten…

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Auf der Suche nach einem egalitären Geschlechterverhältnis

 

Dieser Text ist in stark gekürzter und veränderter Fassung am 29.04.2023 unter dem Titel „Männer und andere Zumutungen“ im Magazin des Tages-Anzeigers erschienen.

 

Auf der Suche nach einem egalitären Geschlechterverhältnis

Das heterosexuelle Rollenspiel nach #MeToo aus der Sicht eines Manns

 

Und am Ende kann der eine,
nur mit dem andern untergehn.
(Element of Crime)

 

Das warme Gelb der Strassenlaternen mischte sich mit der nächtlichen Schwärze zu einem diffusen Zwielicht, als ich – ein Philosophiestudent Mitte zwanzig – lange nach Mitternacht in behaglicher Selbstgefälligkeit einer meiner engsten Freundinnen, D., und deren Freundin A. erklärte, dass weibliche Selbstsicherheit doch wohl am besten vor männlichen Übergriffen schützen würde. Den linken Fuss auf eine Bank gestellt, den Ellbogen auf das Knie gestützt, dozierte ich leicht vornübergebeugt – Bierdose in der einen, Döner in der anderen Hand – über die Macht der Standhaftigkeit angesichts einer Bedrohung. Im Hintergrund warf die grelle Leuchtreklame des Imbisses Ararart beim Lochergut in Zürich ihr künstliches Licht achtlos auf die Strasse.

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Gedichte schreiben: Die visuelle Poesie der alten und neuen Gedichte

 

Dieser Text ist am 08. April 2023 unter dem Titel „Abschied der Lyrik vom Lied“ in der E-Paper-Beilage der FAZ erschienen. Leider hat mich die FAZ fälschlicherweise als Fabian Schmitter bezeichnet.

 

Eine seltsame Eigentümlichkeit hat sich in der deutschen Sprache erhalten, wenn von Gedichten die Rede ist: die Bezeichnung Lyrik. Weder die slawischen noch die romanischen Sprachen greifen auf die altgriechische Lyra – ein Saiteninstrument zur Begleitung von Gesängen oder metrischen Rezitationen – zurück, sondern verwenden meist das ebenfalls altgriechische Wort Poesie. Was wir – abgesehen von den englischen Lyrics bei Popsongs – heute mit Lyrik bezeichnen, ist in den allermeisten Fällen kein Lied, selbst wenn es aus alter Tradition heraus eines zu sein behauptet. Allenfalls singen Autor:innen in Ausnahmefällen an ihren Lesungen. Gedichte metrisch zu skandieren, kommt Autor:innen kaum mehr in den Sinn. Und wer nach der Lesung einen Gedichtband kauft, setzt sich zu Hause in einen Sessel, um lautlos zu lesen. Gedichte sind längst eine Frage guter Augen geworden und nicht feiner Ohren. Selbstredend hat das mit der Geschichte der Schrift zu tun.

Was wir wissen, überliefert die Schrift

 
Was wir heute an antiken und noch älteren Zeugnissen erinnern, sind Texte: geschriebene Worte, keine gesungenen Lieder, obwohl diese Worte ursprünglich gesungen oder wie Gedichte metrisch skandiert worden sein mögen. Lieder – im Gegensatz etwa zu den Gesängen der Australischen Aborigines – bewahren für uns längst kein Wissen mehr. Auf sumerischen Tontafeln aus dem heutigen Südirak ist das rund fünftausend Jahre alte Gilgamesch-Epos überliefert, das mit seinen Geschichten die Bibel beeinflusste.

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